Ein Artiken aus dem Deutschen Forum

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estrella68
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Ein Artiken aus dem Deutschen Forum

Beitrag von estrella68 » 26.08.2011, 08:02

Hallo zusammen

Stelle den Link einfach mal hier rein.


http://www.zeit.de/2011/34/M-Trisomie/k ... print=true


Liebe Grüsse
estrella


Monika mit Tamara 04.07 und Inken 10.08 (DS)

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estrella68
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Bief - und Antwort von der Zeitschrift "die Zeit "

Beitrag von estrella68 » 21.09.2011, 16:03

Meine Lieben

Vor einiger Zeit habe ich ja den Link zu einem Artikel der Zeitschrift "die Zeit" hier reingestellt.



Birte Müller (vielleicht kennt der eine oder andere die Bücher welche sie illustriert) hat der Redatkon folgende Zeilen geschriebe:
Aussagen wie „Unsere Methode ist keine Aufforderung, das Kind
abzutreiben, es geht nur darum, Klarheit zu schaffen.“ machen mich
wütend. Es ist einfach scheinheilig zu behaupten, dass diese Tests nicht
dafür gemacht sind, um Kinder mit Down-Syndrom zu verhindern. Ich bin
bestürzt zu lesen, dass unser Bundesministerium für Bildung und
Forschung eine solche Studie auch noch finanziell unterstützt.

Ich wundere mich, dass es bei dieser Diskussion (und auch in ihrem
Artikel) nie um die Frauen geht, die da “auf Probe“ schwanger sind und
von denen erwartet wird, dass sie das nicht normgerechte Kind einfach
abtreiben! Eine Abtreibung, ist das nicht eine der schlimmsten Dinge,
die eine Frau im Leben passieren kann? Und was bedeutet es wohl für die
Psyche eines Kindes, wenn es ein Viertel der Schwangerschaft nur unter
Vorbehalt leben durfte und wenn es nicht perfekt gewesen wäre, hätten
die Eltern einfach dieses umgebracht und ein neues Kind gemacht. Oder
vielleicht erfährt man, dass vor einem schon zwei Geschwister den
Ansprüchen der Eltern nicht genügt haben und „weg gemacht“ wurden.
Wollen wir das wirklich? Und was ist mit den vielen Menschen und deren
Familien in unserer Gesellschaft, die mit genau diesen Krankheiten und
Behinderungen leben, die da selektiert werden sollen?

Übrigens täuschen Sie sich, wenn sie glauben, dass die meisten Kinder
mit Down-Syndrom nur von Frauen geboren werden, die wegen ihres jungen
Alters nicht speziell auf das Down-Syndrom untersucht wurden. Es gibt
eine große Gruppe von Frauen, die sich, wie ich, bewusst für das Leben
ihres Kindes entscheidet, egal wie es sein wird, und die entsprechenden
Test von vornherein ablehnt.

Eine Medizin, wie sie in ihrem Artikel schreiben, „die gesunde Kinder
weitgehend garantiert“ wird es nicht geben. Heute nicht und auch in fünf
Jahren nicht. Das ist ein Trugschluss! Man denke nur an die vielen früh
geborenen Kinder, die Dank medizinischer Möglichkeiten heutzutage
überleben, aber in vielen Fällen auch von schweren Behinderungen
betroffen sind. Niemand würde ihnen die Lebensberechtigung absprechen,
oder? Außerdem entstehen die meisten schweren Behinderungen noch immer
unter der Geburt. Wie lange es wohl dauert, bis Kinder nicht mal mehr
geboren werden müssen? Wie bequem wäre das für die Mütter, da würde ja
sogar ich noch mal überlegen ein drittes Kind zu bekommen: Garantiert
gesund, keine Schwangerschaftsstreifen riskieren und sogar weiter
fleißig Alkohol trinken können, prima. Was kostet das bitte?
Aber mal im Ernst: Ich frage mich immer, warum eigentlich eine Welt ohne
behinderte Menschen erstrebenswert sein soll? Warum sollten wir das
wollen? Weil behinderte Menschen unsere Krankenkassen relativ viel Geld
kosten? Weil Kinder wie mein Sohn dann im Bus anderen Leuten mit seinen
schmutzigen Fingern nicht die weißen Jacken dreckig macht, wenn er
versucht ihnen einen Kuss zu geben?
Was ist denn mit den ganzen „sozial behinderten“ Kindern, wie ich sie
gerne nenne, die schon im Sandkasten keine Schaufel abgeben wollen und
die Eltern auch noch stolz darauf sind? Kinder, die denken, dass sich
die ganze Welt nur um sie selber dreht, weil ihre Eltern ihnen genau das
vermitteln. Was will denn unserer Gesellschaft anfangen mit den ganzen
verwöhnten Egozentrikern, die da heranwachsen? Und was ist mit den
Kindern, die unter dem Druck der Eltern schon im Kindesalter psychische
Probleme bekommen?
Wer sagt denn, dass wir alle immer etwas leisten müssen, um Existieren
zu dürfen. Und was bedeutet das überhaupt, etwas leisten?
Wenn es bei meinem Sohn im Kindergarten einen großen Morgenkreis gibt,
bei dem alle Gruppen zusammen kommen, die „Normalen“, die Kinder der
integrativen Gruppe und auch die teils schwer mehrfach behinderte Kinder
aus der Sondergruppe, dann geht mein Willi dort im Kreis herum, von Kind
zu Kind und drückt jeden zur Begrüßung vor Freude fest an sich.
Ganz ehrlich, ist das nicht wunderbar! Wollen wir solche Menschen echt
abschaffen? Menschen wie mein Sohn, der vor Freude über einen großen
Keks mit Schokolade so laut jubeln und im Kreis tanzen kann, dass alle
um ihn herum ebenfalls in lachen ausbrechen.

Ich kann es Ihnen sicher sagen, unser Leben wird um so vieles Ärmer
werden, wenn wir versuchen alles von der Norm abweichende zu
selektieren. Und haben die Nationalsozialisten nicht auch schon mal
versucht so eine Art Superrasse zu züchten?
Wieso schreiben Sie in dem Artikel, dass es nicht zu vermeiden ist, dass
diese Tests zur Routine für alle Schwangere werden? Ich hätte mal einen
Vorschlag: Frau Schavan nimmt noch mal 300.000 Euro in die Hand (nein
nein, lieber viel mehr, denn immerhin ist das Leben vieler Kinder
bedroht!!!) und macht eine große Aufklärungskampagne mit jeder Menge
Infomaterial (wo auch mal ein paar der unendlich niedlichen Kinder mit
Down-Syndrom abgebildet sind). Alle Menschen dürfen erfahren, wie schön
das Leben mit einem behinderten Kind sein kann und das man aber auch
viel Hilfe von den Mitmenschen braucht, die dann gleich neu
sensibilisiert durchs Leben gehen und Familien wie uns offener und
toleranter begegnen.
Was meinen Sie?

Mit herzlichen Grüßen

Birte Müller



Und hier die Antwort des Reporters:
Hallo Listlinge,

hier schicke ich Euch die Antwort von Ulrich Bahnsen auf meinen Leserbrief zu seinem Artikel über die Entwicklung eines Bluttests zur Früherkennung von DS. Ich bin einigermaßen schockiert, dass er wohl tatsächlich glaubt, durch Pränataldiagnostik könne man "an die Garantie ein gesundes Kind zu bekommen, sehr nah heran kommen".
Er scheint persönlich wohl eher nicht zu denken, dass behinderte Menschen unser Leben bereichern und meint, die Presse sei nicht für Moral zuständig, dafür muss die Gesellschaft schon selber sorgen...
Sehr, sehr bedenklich bei einer so meinungsbildenden Zeitung wie die Zeit...
höchst nachdenklich,
Birte (die noch nicht geantwortet hat)
PS: Wer hat da mal eine verlässliche Zahl darüber, wie viele Behinderungen unter oder nach der Geburt entstehen? Ich dachte immer, dass seien mehr als die genetisch bedingten...
PPS: Willi ist übrigens behindert UND krank und findet sein Leben absolut super (solange genug Kekse und Autos in der nähe sind und das ist zum Glück meist machbar :-)


Am 13.09.2011 14:50, schrieb Ulrich Bahnsen:
Sehr geehrte Frau Müller

Vielen Dank für Ihren ausführlichen Leserbrief.
Ich fürchte, Sie haben mich gründlich missverstanden. Es geht in meinem Artikel und auch in dem Leitartikel dazu in derselben Ausgabe nicht um Trisomie 21 als solche. Das Thema ist eine neue Methode der pränatalen Diagnostik und deren mögliche Konsequenzen.
Ich respektiere natürlich Ihre Entscheidung für in behindertes Kind, und das steht übrigens auch in den Texten, verbunden mit der Forderung, alles mögliche für die betroffenen Familien zu tun. Dennoch ist es eine Tatsache, dass 85 Prozent der Schwangeren Frauen in Deutschland eine pränatale Diagnostik in Anspruch nehmen und über 90 Prozent die Schwangerschaft abbrechen, wenn eine Trisomie 21 festgestellt wird. Ich persönlich achte auch diese Entscheidung. Als Journalist habe ich doch zu berichten, aber nicht zu rechten. Ob ein Kind mit Trisomie 21 zur Welt kommen soll oder nicht, müssen und dürfen nach meiner Meinung allein die Eltern entscheiden. Ich würde jederzeit für das Recht auf eine Schwangerschaft ohne Diagnostik eintreten, aber auch gegen ein Verbot derselben.
Ob man ein Downsyndrom als Krankheit oder nur als Behinderung betrachtet, hängt vom Verlauf ab. Es gibt relativ oft auch Fälle, in denen die Kinder wirklich leiden, weil sie nicht nur retardiert sind, sondern auch schwere organische Beschwerden haben.

Wirklich garantieren kann pränatale Diagnostik ein gesundes Kind nicht, aber in Zukunft dem doch sehr nahe kommen. Denn die überwiegende Mehrzahl aller angeborenen Krankheiten und Behinderungen sind genetisch bedingt. Bei geistiger Behinderung sind unter zwei Prozent der Fälle durch genetische verursacht durch Alkoholmissbrauch, Infektionen oder perinatale Hypoxie verursacht, alle anderen,wohl inklusive Autismus, durch genetische Defekte.

Ob nun unsere Gesellschaft durch Behinderungen bereichert wird oder nicht, hat nicht Die Zeit zu entscheiden, sondern die Gesellschaft. Moralische Erziehung der Bürger ist nun einmal nicht Aufgabe der Presse.

Mit besten Grüßen aus Hamburg
Ulrich Bahnsen
Ulrich Bahnsen, PhD
Staff Reporter

Die Zeit Editorial Office
Science Dept

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