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Der geliehene Engel

Verfasst: 19.11.2008, 12:30
von Brigitte
Hallo an alle Leseratten

Von Verena Wermuth ist ein neues Buch erschienen über ein Mädchen mit Down Syndrom. Titel: Der geliehene Engel - meine viel zu kurze Zeit mit Marion. Erschienen bei Woa-Verlag.

Zitat:
"Die Geschichte von Marion liest sich wie ein fesselnder Roman, aber geschrieben hat sie das Leben."

In ihrem zweiten Buch erzählt die Bestsellerautorin Verena Wermuth die aufwühlende Geschichte des Mädchens Marion, das das Leben der ganzen Familie auf einen Schlag verändert. Diagnose bei der Geburt: Down-Syndrom, komplizierter Herzfehler - Lebenserwartung vier bis sieben Wochen. Doch die Prognose der Ärzte sollte sich als Irrtum erweisen ...

"Ergreifend, packend und bewegend: Das behinderte Mädchen Marion stellt die Welt auf den Kopf. Und zeigt liebevoll, aber schonungslos, wie eingeschränkt wir Nichtbehinderten im Denken und Leben oft sind."
Max Fischer, Schweizer Illustrierte

"Die Lebensgeschichte von Marion ist so fesselnd, dass ich das Buch in nur einer Nacht verschlungen habe. Verena Wermuth schafft es erneut, die Seelen der Leser zu berühren. Grossartig finde ich persönlich, dass ein Teil des Erlöses an die Kardiologie des Kinderspitals Zürich geht, und dass die Autorin mit dem <geliehenen Engel> Vorurteile gegenüber behinderten Menschen abbaut."
Patricia Boser, Fernsehmoderatorin und Mutter

"Wir können leider diese unglücklichen Ereignisse nicht mehr rückgängig machen. Der Tod von -Marion war für uns alle ein trauriges Ereignis, das uns aber auch -Grenzen aufgezeigt hat."
Prof. Dr. Urs Bauersfeld, Kinderspital Zürich

"Verena Wermuth wühlt auf, schöpft Liebe, Leiden und Glück. Auch diesmal mit Mut zu grossem Gefühl."
H. Elias Fröhlich, Glückspost


Ich habe mir das Buch heute bestellt und kann es kaum erwarten, bis es da ist. Bin schon sehr gespannt.

Herzliche Grüsse

Verfasst: 21.11.2008, 16:18
von Barbara Camenzind
Danke Brigitte!
Heute wurde das Buch bei uns in der Zeitung vorgestellt. Schönes Bild von Marion und super guter Text dazu. Überschrift (Gross und Rosa :D): Super Girl.
Das ist Öffentlichkeitsarbeit.

Bei Exlibris ist das Buch grad Aktion (17.80) und nun liegt es schon auf meinem Nachttischli (inkl. Taschentücher...) Das gibt wieder ein paar schlaflose Nächte.

Verfasst: 23.11.2008, 10:52
von Barbara Camenzind
Ich bin jetzt auf Seite 130 und immer noch nicht begeistert... warum? Das kann ich noch nicht in Worte fassen. Einerseits denke ich, ist dass einfach nicht "mein" Stil von Erzählungen die ich liebe und mich fesselt (also Geschmacksache), anderseits finde ich, kommen einige Texte so rüber, dass man meint, Kinder mit Down-Syndrom sind alle so (zB. können nicht länger als 10 Min. am Stück etwas spielen).

Ich bin gespannt auf Eure Meinungen!

Den Einführunsgstext von Prof. Bauersfeld fand ich sehr gut.

Verfasst: 24.11.2008, 09:50
von Brigitte
Leider geht es mir ganz ähnlich wie Barbara. Auch ich kann mich nicht ganz erwärmen mit dem Buch. Voll spannender Erwartung habe ich am Wochenende angefangen zu lesen. Ich bin jetzt ungefähr in der Mitte des Buches und warte immer noch, dass es mich richtig packt. Nach den super Kritiken in den Medien hatte ich mich auf eine spannende, emotionale Lektüre eingestellt. Liegt es am etwas "holprigen" Erzählstil? Ich weiss es auch nicht.

Ich finde die eingefügten generellen Bemerkungen zum Down Syndrom nicht sehr passend. Sie sind teilweise sehr klischeehaft (veraltet?) und entsprechen überhaupt nicht meinem heutigen Wissen über Trisomie 21. Wie Barbara schon bemerkt hat, kommt es teilweise rüber, als ob alle Menschen mit Down Syndrom so sind. Ich musste deswegen mehr als einmal ziemlich die Stirn runzeln!

Ich werde das Buch trotzdem möglichst schnell fertig lesen. Vielleicht springt der Funke ja noch über?

Verfasst: 24.11.2008, 10:26
von Barbara Camenzind
Hallo miteinander,
das Buch habe ich nun zu Ende gelesen. Ab der Mitte ist es nur noch "hart" und "schmerzhaft".
Hier sind viele "Neubetroffene" Mamis und Papis im Forum. Vielleicht auch solche deren kleines Schätzli einen Herzfehler hat... Ich kann Euch das Buch nicht empfehlen. Es ist sehr deprimierend und gerade wenn man vielleicht noch mit dem "Schicksal" Trisomie 21 hadert und noch am Anfang der Beziehung zum neuen Familienmitglied steht, kann dieses Buch einem ganz "runterziehen".

Mir geht es auch so wie Brigitte, meine Erwartungen waren wirklich sehr hoch und der Erzählstil konnte mich bis zum Schluss nicht einnehmen. Obwohl das Buch spannend wird, hinterlässt es bei mir einfach kein gutes Gefühl.

Und eine ganz grosse Frage hat sich bei mir aufgetan:
Kann man bei einem Menschen mit 47 Chromosomen keine Organe transplantieren? Warum bekam Marion kein Spenderherz, war sie nie auf einer solchen Liste? Oder geht das nicht? Gibt es eine weltweite Transplantationsliste für Menschen mit Trisomie 21?
Ich werde keine Ruhe haben bis ich diese Fragen geklärt habe...

Allen einen guten Wochenstart!
Barbara

Verfasst: 24.11.2008, 23:39
von Barbara Camenzind
Eine Organtransplantation ist auch bei Menschen mit Trisomie 21 möglich.
Es stellt sich die Frage, inwieweit Patienten mit Down-Syndrom bei Organversagen als Kandidaten für den Empfang eines Organtransplantates akzeptiert werden. Die Statistiken zeigen, daß bisher weniger Patienten mit Down-Syndrom ein Herz- oder Nierentransplantat erhalten haben, als aufgrund der Häufigkeit der Organstörungen zu erwarten gewesen wäre. (Down-Syndrom Hannover)

Man findet im Netz sehr wenig zu diesem Thema.

Ich werde Prof. Bauersfeld ein Mail schreiben. Möchte wirklich wissen warum das nie eine Option war bei Marion.

Verfasst: 26.11.2008, 11:03
von Brigitte
Ich bin inzwischen natürlich auch durch mit dem Buch. Mit dem Erzählstil konnte ich mich bis zum Schluss nicht anfreunden. Das Buch ist in der zweiten Hälfte aber tatsächlich spannender und natürlich sehr, sehr traurig. Auch ich würde es Eltern von Kindern mit Herzfehler nicht unbedingt empfehlen, egal ob mit oder ohne Trisomie 21.

Barbara, ich bin sehr gespannt, ob du von Prof. Bauersfeld eine Antwort bekommst.

Verfasst: 26.11.2008, 14:04
von Barbara Camenzind
Die Antwort kam umgehend von Prof. Bauersfeld:

Sie haben Recht mit der Google Einschätzung. Mir sind keine Patienten bekannt mit Trisomie 21, die herztransplantiert wurden. Es sind vor Allem 2 Aspekte, die eine grosse Rolle spielen. Bereits grössere Herzoperationen stellen bei Down Syndrom Patienten wegen gehäufter Lungenprobleme (Infekte, häufiger Lungenhochdruck) ein schwieriges Unterfangen dar. Bei Transplantationen muss davon ausgegangen werden, dass der Patient nachher selber einmal die Kontrollen, Medikamenteneinnahmen und Vorsichtsmassnahmen im Zusammenhang mit der Transplantation meistern kann. Kinder müssen die tägliche Einnahme von x Medikamenten und häufige auch invasive Herzuntersuchungen akzeptiern können. Dies ist bei Trisomie 21 Patienten wie natürlich auch bei vielen nicht Trisomie Patienten nicht in gleichem Masse möglich und die Empfehlungen für eine Herztransplantation gehen deshalb von sonst nicht handicapierten Empfängern aus. Es sind mit anderen Worten auch sonst ganz gesunde Kinder, die aus diesen Gründen nicht transplantiert werden können.
Eine Herztransplantation stellt auch heute noch ein Wechsel in eine andere Krankheit dar mit gehäuft Tumoren (wegen der Immunsuppression), Nierenversagen und vor Allem Abstossungsreaktionen. Die Wartezeiten bis zur Transplantation sind gerade bei Kindern oft sehr lang und können bei uns realistischerweise nur mit einem Kunstherz überbrückt werden. Insgesamt stellt sich oft die Frage, ob die Lebensqualität wirklich verbessert wird und wo die Balance ist (kürzeres Leben mit mehr Qualität oder längeres Leben mit weniger Lebensqualität?). Die Patienten/Eltern die letztendlich eine Herztransplantation ablehnen oder diese nicht erfolgreich erscheinen lassen, sind bei uns aus diesen Gründen klar in der Mehrzahl.

Die meisten Trisomie 21 Patienten, die wegen des Herzfehlers transplantiert werden müssten, würden wegen der Miterkrankung der Lunge eine Herz-Lungen Transplantation benötigen. Die Erfolgsaussichten einer Herzlungentransplantation sind niedrig und wir haben diesen Eingriff in Zürich bisher bei keinem herzkranken Kind durchgeführt. Bei Marion wurde keine Herztransplantation in Betracht gezogen und sie hätte wahrscheinlich auch eine Herzlungentransplantation benötigt.

Eine ethisch sehr heikle Frage ist ob die Herzen oder andere Organe von Trisomie 21 Menschen transplantiert werden können. Wir dürfen die Spender nicht kennen, gehen aber davon aus, dass dieser Punkt von der Transplantationskoordination mitgeteilt würde und mir ist keine solche Situation bei der Herztransplantation bekannt. Es ist klar ein grosser Diskussionspunkt wenn eine Bevölkerungsgruppe als Spender in Frage käme aber als Empfänger ausgeschlossen ist.

Die Herztransplantation ist eine in jeder Beziehung dramatische Behandlung und wir behandeln keine Patienten im Hinblick auf eine Transplantation sondern versuchen immer die Situation für den eigenen Kreislauf so optimal wie möglich zu beeinflussen. Dies trifft gerade auch für Trisomie 21 Patienten zu, die wie viele andere behinderte Kinder die bestmögliche Behandlung erhalten um sie durch die Herzerkrankung nicht weiter zu beeinträchtigen und eine möglichst gute Förderung zu ermöglichen. Die Transplantationsfrage stellt sich deshalb bei uns nur in Einzelsituationen.

Ich hoffe sehr, dass das Buch nicht den Eindruck erweckt, dass Down Syndrom Patienten in der Betreuung benachteiligt werden. Wir sind uns der verschiedenen möglichen Beeinträchtigungen sehr bewusst und versuchen diese auch mit zu berücksichtigen und eine ganzheitliche Sichtweise zu pflegen.

Danke

Verfasst: 28.11.2008, 08:06
von aurelia20020
Barbara, danke dir für deine "Recherchen". Echt interessantes Thema.
grüessli nicole