Austausch: Inklusion - Expertenteam - Wechsel

Es wäre schön, wenn sich hier alle vorstellen, die im Forum mitmachen wollen.
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Inklusion
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Austausch: Inklusion - Expertenteam - Wechsel

Beitrag von Inklusion » 24.02.2015, 13:00

Hallo, wir sind eine Familie mit zwei Töchtern, Farah und Olivia, 15 und 12 jährig, die jüngere mit Trisomie 21. Seit ca. 2003 sind wir beim Insieme 21. Wir Eltern sind, mangels Zeit und auch als Vorbilder (mit zweifelhaftem Erfolg) oft nicht online. Weil uns das Thema Inklusion zunehmend beschäftigt, haben wir uns heute diesem Forum angeschlossen. Als Nachbarn eines Heims mit beeinträchtigten Mitmenschen stellen wir fest, dass wir diese kaum kennen, weil sie fast unsichtbar unmittelbar neben uns leben und in Werkstätten und Ateliers in unserer Nähe arbeiten. So stellen wir uns das nicht vor. Inklusion bedeutet für uns das Recht unserer beeinträchtigen Mitmenschen auf Teilhabe am "normalen" Leben. Nur so sind sie sichtbar und die Berührungsängste werden abgebaut. Diese positive Erfahrung machen wir mit Olivia, diejenigen die sie im Quartier dank mehrjähriger integrativer Schulung kennen, grüssen fröhlich. Sie besucht integrativ die vierte Klasse und in zwei Jahren stellt sich die Frage nach der Oberstufe. Offenbar ist bereits klar, dass die integrative Schulung ab der 6. Klasse beendet ist, wie wir von inoffizieller Seite erfahren haben. Wir denken, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, daher unsere Frage, wer hat bereits Erfahrung mit Sekundarschule oder sogar Gymnasium und würde uns davon erzählen oder weiss Rat wie vorgehen?
Etwas nachdenklich stimmt uns, dass wir trotz bisher erfolgreicher Integration unserer Tochter den Eindruck haben, dass wenn Probleme auftreten würden, die heilpädagogische Schule rasch als Lösung angesehen würde. Wie erleben das andere Eltern - wir haben den Eindruck, oft ausserhalb des "Expertenteams" zu stehen, obwohl sich gerade Eltern eines Kindes mit besonderen Bedürfnissen meist ab Geburt selbst über vieles informieren müssen, sei es Frühförderung, Physiotherapie, Logopädie, Entwicklungspotential, Schulmöglichkeiten und es nebenbei auch fördern, natürlich inklusive allfälliger Geschwister. Man fühlt sich bereits dadurch etwas ausgeschlossen, dass von Schulleiter über Lehrkräfte, heilpädagogischer und logopädischer Fachkraft alle per Du sind, was am runden Tisch besonders auffällt. Was wir als Eltern sagen, wird oft weniger ernst genommen, es weiss manchmal niemand mehr etwas davon oder wird nicht weitergeleitet und wir müssen nachträglich darauf hinweisen, dass das bereits Thema am runden Tisch war und oft an jedem runden Tisch dasselbe wieder neu thematisieren.
Zudem haben wir aktuell einen Wechsel der heilpädagogischen Fachkraft nach über sechs Jahren, Olivia fühlt sich etwas verlassen, betrachtete die Schule bisher als gesellschaftliches Ereignis und macht sich bisher fröhlich auf den Schulweg. Sie äussert sich aber ungern über negative Gefühle und ein solches "Verlustgefühl" ist schwer in Worte zu fassen. Hat jemand Erfahrung damit, wie das am besten aufgefangen werden kann und wie man die neue heilpädagogische Fachkraft (ohne sie vor den Kopf zu stossen) und die Lehrkräfte im Team motivieren kann, dass sie zur Zeit etwas mehr Zuwendung und Aufmerksamkeit braucht und nicht einfach alles von selbst läuft?
Matthias und Ottila



Mide07
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Es fehlt der Glaube, die Liebe und der Enthusiasmus!

Beitrag von Mide07 » 28.02.2015, 13:52

Leider machen wir auch ständig die Erfahrung, dass unser Kind auf das tiefste Niveau eingestuft wird, das er zeigt, dabei bleibt er oft auf einem Niveau noch stehen, obwohl er schon weit weiter ist. Ein Beispiel: er nimmt immer noch gern Dinge in den Mund, obwohl er sich schon anzukleiden versucht, alleine Zähneputzt (inklusive alleine Zahnpastatube öffnen und mit der andern Hand Zahnpasta auf die Bürste tun)und und und! Als ich der Logopädin erzählte, dass er schon einige Buchstaben kennt, war sie fast schockiert und auch das Üben mit der Gebärden mithilfe von Bildkarten fand sie noch nicht angebracht, dabei funktioniert das so gut und unser Sohn holt sogar von sich aus den Ordner oder das "Lern-Kistchen". Es ist äusserst deprimierend, dass man statt Unterstützung, die man wirklich brauchen könnte, alleine wieder gegen die Meinung von andern arbeiten muss. Auch die Früherzieherin meinte, als ich von Bastel-Misserfolgen sprach: koche lieber mit ihm. In den Sonderschulen werde auch viel (oder täglich?) gekocht. Das ist sicher etwas Gutes, aber mich hat es so geschmerzt: kommt er in die Sonderschule, wird er also nur kochen.... Niemand kennt die Erfolge von Christel Manske/Carsten-Institut oder Martina Zilske in Deutschland. Niemand will überhaupt die Kinder so weit bringen? Niemand glaubt an sie.
Aber das hilft nun nicht weiter; das ist wahr. In andern Ländern gibt es Pablo Pineda und weitere, die ein Studium machen konnten... in der Schweiz wird dies kaum möglich sein. Aber die Familie von Simon Federer hat auch viel mit ihm durchgemacht und er ist auch weit gekommen (hat die Töffliprüfung geschafft und lebt alleine, arbeitet und läuft Marathon). Vielleicht wäre ein Ausstausch mit dieser Familie gut?
Liebe Grüsse Micheline Dietrich, Surcuolm

Inklusion
Beiträge: 4
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Beitrag von Inklusion » 28.02.2015, 17:25

Liebe Micheline
Vielen Dank, wir haben uns über die Antwort sehr gefreut. Du hast recht, Euer Roman kann schon so viel, nur scheinen die Logopädin und Heilpädagogin ihm "hinterherzuhinken" statt sein Potential zu erkennen und ihn zu fördern. Was macht die Logopädin mit Roman? Kann er schon etwas sprechen oder wie verständigt Ihr Euch in der Regel? Wir wurden durch die empfehlenswerte Zeitschrift "Leben mit Down Syndrom" auf die gebärdenunterstützte Kommunikation (GuK), entwickelt von Etta Wilken aufmerksam. Die Kärtchen haben wir selbst gekauft, denn die erste Heilpädagogin meinte, als Olivia zwei Jahre alt war, dazu sei es noch viel zu früh, auch Logopädie sei erst mit ca. vier Jahren notwendig. Dabei weiss man, dass es für die Sprachförderung ganz wichtig ist, früh genug zu beginnen, mit der gebärdenunterstützten Kommunikation zum Beispiel, wenn sie winken oder klatschen können. Als ich Olivia einmal erklärte: "Papi gaht go schaffe", gebärdete sie "schlafen". Da erkannten wir, wie wertvoll und wichtig die gebärdenunterstützte Kommunikation ist und wie sich so auf einfache Art Missverständnisse klären lassen. Da Olivia mit ca. 2 Jahren 7 Monaten noch nicht einmal lautierte, kümmerten wir uns selbst darum, eine Logopädin zu finden. Wir hatten grosses Glück, die Logopädin war aufgeschlossen gegenüber der gebärdenunterstützten Kommunikation, weckte allgemein das Sprachverständnis von Olivia und sie machte kleine, aber stetige Fortschritte. Mit der Förderung des Sprachverständnisses wurde auch die Erziehung einfacher, denn dadurch verstand unsere Tochter immer besser was wir sagten und sie war weniger frustriert, weil auch sie sich endlich besser verständlich machen konnte, auch zunehmend mit Wörtern. Olivia glaubte sich bei der Logopädin im Spielparadies. Diese liess sie etwas aussuchen und zusammen spielten und kommunizierten sie dabei. So könne die Sprache aus ihr herausgelockt werden, erklärte sie uns. Auch während drei Jahre integrativem Kindergarten und in der ersten Klasse wurde sie von derselben Logopädin begleitet. In dieser Phase wurde zuerst gearbeitet, zum Beispiel mit Buchstaben, gelesen oder geschrieben, Guetsli gebacken und mit einem von Olivia ausgesuchtem Spiel abgeschlossen.

Ab ca. 8 Monaten hatte Olivia die erste Heilpädagogin bzw. Früherzieherin. Diese sagte uns immer, Olivia könne das noch nicht, z.B. in einer Zeitschrift blättern, auch wenn sie das konnte und sie nahm nichts auf, was vom Kind kam und brachte unsere ältere Tochter, Farah zum Weinen, weil sie störe, etc.. Nach einem Jahr hielten wir das nicht mehr aus und suchten anhand einer Liste über freischaffende Heilpädagoginnen eine neue, welche Hausbesuche machte. Das war erstaunlich, nun hiess es, "Schauen Sie, Olivia kennt die Farben oder Formen". Oft waren wir geradezu überrascht, wenn uns die neue Früherzieherin zeigte, was Olivia schon alles kann. Auch die ältere Schwester, Farah, wurde integriert und durfte sich aus ihrer Tasche etwas zum Spielen aussuchen oder mitmachen und sie wäre nie auf die Idee gekommen, Farah würde stören, sondern freute sich, wenn sie zusammen waren. Manchmal beobachtete sie Rollenspiele von Olivia und nahm diese auf und meinte, so würde sie viel über die Fähigkeiten des Kindes erfahren. Ausserdem arbeitete sie nicht gegen sondern mit dem Willen des Kindes, denn sie war der Auffassung, dass das Kind ihr zeige was es wolle. Das war wunderbar.
Übrigens machte Farah auch gerne in der gebärdenunterstützten Kommunikation mit und zeigte Olivia z.B. eine neue Gebärde. Machen das Eure Söhne auch manchmal zusammen oder anderes? Habt Ihr viele Tiere auf Eurem Hof? Wir stellen uns vor, dass es auf so einem Hof eine Vielfalt an Möglichkeiten gibt, die Eure Söhne gemeinsam entdecken, oder bei der Arbeit lernen können, nebenbei zählen, rechnen, erzählen. Sind wieder Familien zugezogen oder gibt es sonst Kontakte zu Kindern, vielleicht zu Feriengästen?
Wie ist das bei Euch, habt Ihr die Möglichkeit die Logopädin oder Heilpädagogin zu wechseln wenn es nicht geht oder hilft ein klärendes Gespräch? Kommt Roman im Sommer in den Kindergarten oder wartet Ihr noch ein Jahr? Gibt es in Eurer Nähe einen Regelkindergarten, den Roman besuchen könnte, er ist ja ein aufgeweckter Junge?
Jetzt muss ich mich wieder ausloggen, die Versuchung ist (für mich) gross, zuviel Zeit im Forum zu verbringen.
Liebe Grüsse Ottila und Familie

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Nekuma
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Eltern sind Experten und ein Schritt voraus

Beitrag von Nekuma » 05.03.2015, 21:10

Liebe Ottila

Dank für Euren interessanten Beitrag.
Ja, ich mache auch die Erfahrung, dass man sich als Eltern in der Schweiz am besten um alles selber kümmert.
Das Beispiel aus der Früherziehung und Logopädie finde ich ganz typisch.
Ich mache klar die Erfahrung, dass die Eltern den Heilpädodogen in vielem Voraus sind.
Es ist aber auch natürlich, dass dies passiert. Wir als Eltern sind ja auch wirklich betroffen. Schon rein aus biologischen Gründen, sind für uns Inklusionsgedanken selbstverständlich. Aussderdem ist es so, dass Eltern sich früh selber mit Förderung auseinandersetzen (müssen) . Es geht nicht nur um die besonders begabten Kinder mit Handicap,,,,
Ihr seid den Lehrpersonen in dieser Hinsicht einen Schritt voraus und Ihr gehört unbedingt ins Expertenteam!
Ich könnt auch auf Du gehen, falls Ihr das möchtet.

Ich kann dir gut nachfühlen,,,,werde bei der Lehrperson unserer Tochter oft nicht ernst genommen. Vieles von meinen Anliegen wird damit abgehackt, dass es "noch viel schwächere unter den normalen gibt". Ich war deswegen monatelang frustriert und habe nichts mehr gesagt. Nun aber wieder Kräfte getankt und bei einem Gespräch deutlich gemacht " Nur weil unserer Tochter Tri21 hat, muss sie nicht das schwächste Kind der Klasse sein - Es ist auch nicht richtig, sie immer mit den Schwächsten zu vergleichen".

Wer ist bei Euch die "Inoffizielle Seite"? Fragt ruhig nach, konfrontiere geg.falls die Schulleitung mit dieser Frage. Sagt, dass Ihr als Eltern selbstverständlich von einer weiteren Integration ausgeht. So hat die Schule schon mal Zeit, sich damit auseinander zu setzen....
Es ist für viele neu... noch ungewohnt,,, und auch nicht für alle Kinder ein guter Weg in der Integration... aber es soll zumindest auf den Tisch gelegt werden.
Winterthur und Umgebung ist ein Ort, in welcher vor über 10 Jahren mit 2 integrierten Kindern gestartet wurde .... zwischenzeitlich sind es über 90 Kinder, welche als Integrierte Sonderschüler die Regelschulen besuchen.... unterdessen wird bei vielen ein Übertritt in die Oberstufe geprüft, gewagt, erfolgreich durchlaufen. Von den Kindern mit DS ist noch keins dahin gegangen. Aber es wird in der Zukunft sicher passieren.

Ich drück Euch die Daumen.
Viel Glück und Kraft.
Helena

Beatrice
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Beitrag von Beatrice » 12.03.2015, 16:57

Hoi zäme

Ich kann dazu vielleicht noch was Nachdenkliches beisteuern. Die Tochter meine Cousins hat auch das Down Syndrom. Sie wurde, weil der Papa im Ausland - in Brasilien arbeitete, die ersten Schuljahre in Brasilien beschult - inklusiv, wie das dort üblich ist. Sie hat sich zu einem souveränen Mädchen entwickelt - sie spricht ein Chrüsimüsi aus Schwizerdütsch, Portugiesisch und Hochdeutsch und Gebärden - aber man versteht sie sehr gut, denn ihre Mimik ist unvergleichlich klar. Mit 9 kam S. in die Schweiz und eigentlich war der Plan der Eltern, sie wiederum inklusiv oder integrativ im Raum St. Gallen zur Schule zu schicken. Das scheiterte und so geht S. nun in die HPS - und hat Rückschritte gemacht.
Das "Beste" aber passierte, als S. mit ihrer Mami in der HPS schnuppern ging und eine Woche dort probehalber zur Schule durfte. An einem Mittag holte sie die Tante statt der Mutter ab und sie erlebte eine Szene aus der Ferne mit: Die Heilpädagogin band S. die Schuhe, dabei kann S. das alleine. S. trat nach ihr und spuckte die Heilpädagogin an und murmelte immer, das könne sie selber. Aber die hörte nicht auf das Kind. Die Tante war sehr irritiert und fragte dann, warum man denn S. die Schuhe bände, sie könne das doch alleine. Da meinte die Heilpädagogin: Es ginge eben zu lange, wenn S. das selber machte, dann müsste der Schulbusfahrer immer warten!
Einwände der Tante, dann könne man sie ja etwas früher rauslassen - wurden nicht angenommen. Die Schule bat darum, S. Schuhe mit Klettverschluss zu kaufen, das wäre für alle EINFACHER.

Irgendwie finde ich das ziemlich daneben - da hat man ein Kind, das sich die Schuhe selber binden kann - und man verdonnert es der Einfachheit halber zu Klettverschluss-Schuhen.
Inzwischen, und das ist jetzt wirklich traurig, hat S. das Schuhebinden verlernt - nie mehr gemacht oder nur noch zu selten. Dafür kommt sie jetzt pünktlich zum Schulbus.
Manche Heilpädagoginnen schiessen da irgendwie am Ziel vorbei - finde ich
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Liebe Grüsse

Bea
Am 05. Juni 2020 ist die nächste Dream Night at the Zoo in Gossau SG, Zürich, Goldau SZ Johnnys kleiner Farm, Kallnach BE und im Papiliorama Kerzers BE.

Beatrice
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Beitrag von Beatrice » 12.03.2015, 17:45

Hoi zäme

Ich selber gehöre als hochgradig sehbehinderte und leicht cerebral behinderte Person zum Kreis der erfolgreich Integrierten in den 1. Arbeitsmarkt. Obwohl ich keine eigentliche geistige Behinderung habe, versuchte die IV während der Umschulung ständig, mir und dem Umfeld einzureden, ich würde das geistig nicht schaffen. Einmal erhielt ich gar in einem IV-Gutachten den Begriff schwachsinnig schwarz auf weiss.
Das hat meinen Trotz allerdings nur noch mehr herausgefordert und ich schloss mein Kaderdiplom mit einem Notenschnitt von 5.4 ab. Gebracht hat es aber vorderhand sehr wenig, denn die IV unterstützte mich mit keiner Geste bei der Stellensuche - ihnen wäre es lieber gewesen, mich in einer Behindertenwerkstatt "versorgt" zu wissen. Mehrfach hat man auch versucht, mir diese Lösung unterzujubeln. Dass ich heute in einem ganz normalen Betrieb integriert bin, war nur Glück. Im Mai feiere ich schon mein 4jähriges Jubiläum dort - also für mich ist das eine Erfolgsgeschichte geworden.

Und so hätte ich sicher auch jeden hier vollumfänglich unterstützt, der oder die ihr Kind mit DS an einem Arbeitsplatz im 1. Arbeitsmarkt inkludieren wollte.
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Ich kenne aber vor der oben geschilderten positiven Erfahrung auch die Integration, die keine war. 100% arbeiten im Supermarkt, aber immer nur die Hälfte verdienen - dazu eine halbe Rente. Und jeder weiss ja heute, dass eine halbe Rente nicht einem halben Lohn entspricht -bei Weitem nicht.
In meinem Fall hiess das, ich verdiente jeden Monat ganze 700 Franken weniger als das ganze restliche 100% angestellte Personal. Arbeitete aber stundenmässig genau gleich viel wie diese und die Qualität der Arbeit war auch gut. Aber nie gab es für mich als "Sozialfall" eine Lohnerhöhung - egal, wie viel Umsatz ich machte - egal, wie wenig Kassendifferenz ich hatte. Alles, was andere in der Lohnklasse höher brachte, hatte bei mir keine Auswirkung.
Das Selbstwertgefühl an so einem Ort integriert zu sein, integriert und doch immer draussen - ich habe erlebt, was das in einem für einen Frust gibt, für eine Kränkung.
Wer meine ganze Geschichte lesen möchte, der besuche diese Seite hier:
http://www.dasanderekind.ch/phpBB2/view ... ?f=1&t=233

Nun las ich kürzlich zu einem sehr ähnlichen Thema einen besonderen Erfahrungsbericht von einem Schweizer Vater, dessen Tochter mit DS über Jahre sogenannt integriert in einer Kindertagesstätte arbeitete. Sie ging gerne hin, kam immer happy heim - bis eines Tages die Situation kippte- scheinbar aus heiterem Himmel - und näher betrachtet, dann doch nicht ganz aus heiterem Himmel.

Dieser jungen Frau, wie gesagt mit Down-Syndrom, war im Arbeitsleben aufgefallen, dass sie zwar ähnliche Arbeiten ausführte wie die anderen im Haus, aber dass sie eben doch nicht gleich behandelt wurde. Die anderen kamen alle mit dem Auto zur Arbeit - sie selber musste immer Bus fahren. Die anderen bekamen einen schönen Zahltag, sie selber registrierte irgendwann, dass sie weniger bekam. Die anderen durften für Kinder die Verantwortung übernehmen, sie selber durfte das nie.
So wurde sie sich dessen bewusst, dass sie anders war, anders behandelt wurde -diese junge Frau wurde ob dieser Erkenntnis psychisch krank --- zu einem grossen Stück kann ich das nachvollziehen, auch wenn ich selber nicht psychisch krank wurde in der Situation in der Migros- also dort, wo ich nur scheinbar integriert war.

Ich denke einfach, das ist ein Aspekt, den man im ganzen Ansinnen der Integration von Menschen mit Behinderung an einem "normalen" Arbeitsplatz nicht vergessen darf.
Wenn man ständig realisiert, dass man anders ist als alle anderen, dann ist die Integration missglückt, so gut sie auch gemeint sein mag.

Ich kann die Lektüre dieses Buches allen hier empfehlen, die sich mit dem Gedanken tragen, ihr Kind mit DS oder einer anderen Beeinträchtigung im 1. Arbeitsmarkt zu integrieren:

Wenn ein Mensch mit Down-Syndrom manisch-depressiv erkrankt

ERLEBNISBERICHT EINES VATERS aus der Schweiz
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Titel: Geistig behindert und seelisch erkrankt
Untertitel: Möglichkeiten und Grenzen eines Lebens
Autor: Dr. Walter Kurmann-Bottinelli (Vater einer erwachsenen Tochter mit Down-Syndrom)
Illustriert von Walter Kurmann-Bottinelli (Autor aus der Schweiz)
Verlag : Meyer Digital- und Offsetdruck, 2. erweiterte Auflage Januar 2011
ISBN : 978-3-9521688-2-0, Kartoniert, 154 Seiten

Preisinfo : 20,00 Eur[D] UVP / 20,00 Eur[A] UVP / 25,00 CHF UVP
Alle Preisangaben in CHF (Schweizer Franken) sind unverbindliche Preisempfehlungen.

Erhältlich im Buchhandel

Verlagstext:
Scheinbar aus dem Nichts verändert sich ein geliebter, anspruchsloser und hilfebedürftiger Mensch in ein fremdes, unnahbares Wesen: So beginnt die lange Gemütskrankheit von Silvia, unserer Tochter mit Down-Syndrom, und so beginnt unser Erfahrungsbericht.
Notsignale in viele Richtungen, nicht enden wollende Gespräche und ausufernde Gedanken wurden über Jahre die ständigen Begleiter von meiner Frau, Maricarmen und mir. Auf diesem Weg versuchten wir, den Zugang zu dem schwer verständlichen Ereignis zu finden und ihm Sinn abzugewinnen. Doch wir erahnten, dass mehr noch als die mündliche Mitteilung die Niederschrift eine stille Obereinkunft mit sich und hoffentlich auch mit dem Leser schaffen kann. Meine Familie ermunterte mich, unsere Zweifel und Ängste und die aufkeimende Hoffnung schriftlich festzuhalten. Zudem bestärkte die anfängliche Vereinsamung uns in der Überzeugung, dass ein solcher Bericht Mut und Zuversicht vermitteln kann: Nicht nur uns und Silvias Lebenswelt, sondern auch vielen anderen, von ähnlichen Nöten geplagten Menschen und Familien.

Die 2. Auflage (Januar 2011) ist erweitert durch ein Kapitel über den bisher günstigen Verlauf der Genesung.
Sollte unser Erfahrungsbericht Ihr Interesse finden, würde es uns freuen. Man kann das Buch im Buchhandel unter ISBN 978-3-9521688-2-0 oder direkt bei uns über die Postadresse Frau Mary Carmen Kaspar-Koppstrasse 42a, 6030 Ebikon, Telefon 041 420 84 62 zum Preis von Fr. 25.- bestellen.
Leider ist der Vater von Silvia, und der Autor dieses lesenswerten Buches am 4. Dezember 2014 im Alter von 76 Jahren verstorben.

Weitere Titel rund um die Inklusion findet man auch auf:
http://www.dasanderekind.ch/phpBB2/view ... f=10&t=614


Allen viele liebe Grüsse und rundum gelungene Integration/Inklusion

Bea
Am 05. Juni 2020 ist die nächste Dream Night at the Zoo in Gossau SG, Zürich, Goldau SZ Johnnys kleiner Farm, Kallnach BE und im Papiliorama Kerzers BE.

Inklusion
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Registriert: 24.02.2015, 11:35

Beitrag von Inklusion » 13.03.2015, 16:51

Hallo miteinander
Danke Dir Helena, für Deinen motivierenden, interessanten und verständnisvollen Bericht. Im fortschrittlichen Winterthur findet ja, wie ich gelesen habe, am 21. März, dem Weltdownsyndrom-Tag, in der Bibliothek ein entsprechender Anlass statt. Hoffentlich schaffen wir es, diesen zu besuchen.
Wir wohnen ja in der Nähe einer sogenannten Wohnstätte für beeinträchtigte Mitmenschen. Gestern bin ich einer jüngeren Frau mit Trisomie 21 begegnet, welche ich oft bei Spaziergängen mit ihrem Vater sehe. Meistens spaziert sie gemächlich hinter ihrem schon älteren Vater, schaut interessiert umher und freut sich, wenn ich sie grüsse. Ich habe sie noch nie sprechen gehört oder gesehen, dass sie sich mit ihrem Vater unterhält. Gestern war sie mit einem jungen Mann unterwegs, vermutlich mit einer Betreuungspersonen der Wohnstätte. Die Frau schaute wie immer interessiert umher, der junge Mann ging voraus, bekam von allem nichts mit, auch nicht, ob sie ihm noch folgte, denn er war beim Gehen sehr in sein Smartphone vertieft. Das stimmte mich nachdenklich, vielleicht hätte sie gerne etwas Ansprache oder Aufmerksamkeit auf dem gemeinsamen Weg gehabt und der junge Mann hätte viel von ihr lernen können, zum Beispiel, wie gut es tut, so andächtig und aufmerksam durch die Gegend zu spazieren.

Liebe Beatrice
Deine spannenden Beiträge beeindrucken mich immer wieder, hinterlassen mich sprachlos, nachdenklich und gleichzeitig zuversichtlich. Wirklich unglaublich, ("grauenhaft, das mit dem Schuhebinden", sagt Matthias gerade), das mit dem Klettverschluss - aus Zeitgründen - und dass ausgerechnet in der Heilpädagogischen Schule, nicht mal da gibts genug Zeit zum nachhaltigen Lernen.
Aber wie Du selbst das alles schaffst, Deinen Weg gehst, gleichzeitig anderen hilfst und Kraft gibst, die ausgegrenzt werden, Deine Familiengeschichte, Deine Geschwister, die Kinder Deiner Geschwister, der Zwillingsbruder, allen hast Du so behutsam und fürsorglich Euren geliebten Bruder mit Down Syndrom wieder in Erinnerung gebracht und das Nachbarskind mit Trisomie 21 ins Spiel miteinbezogen, so dass sie nun vor Menschen mit Down Syndrom keine Angst mehr haben müssen. Du hast Verständnis für die gelinde gesagt nicht erfreute Reaktion Deiner Mutter. Du hast recht, sie hatte es bestimmt nicht einfach. Mein Schwiegervater erzählte, wie es früher, in den 60iger Jahren, in Amerika üblich war, Babys mit Down Syndrom gleich nach der Geburt ins Heim zu geben. Die Eltern bekamen sie kaum zu sehen. Einmal wohnte er in einem Haus, ich weiss nicht, ob es wieder in der Schweiz war, da hörte er manchmal ein Weinen, hat aber nie ein Kind gesehen. Später erfuhr er, dass in der Nachbarswohnung eine Familie war, die ein Kind mit Down Syndrom hatte, aber sie hielten es versteckt in der Wohnung. Du und Deine Geschwister seid ja, wenn ich mich nicht täusche, auch in den 60igern/70igern geboren, also in einer Zeit, wo man noch weit entfernt von Integration war. Dennoch hat Dich diese Zeit so positiv geprägt.
Ja man muss achtsam umgehen, mit unseren Mitmenschen mit Trisomie 21, (natürlich mit allen anderen auch) die Integration läuft nicht von alleine. Wenns mal läuft, geht das schnell vergessen. Das stellen wir bei Olivia auch immer wieder fest, man muss stets daran arbeiten und darauf aufmerksam machen. Heute stand sie grad etwas verloren auf dem Pausenplatz nach dem Schulessen, bei dem wir sie im Turnus mit der Heilpädagogin begleiten. (Das spezielle an dieser Tagesschule ist, dass sie froh sind, wenn auch Eltern jeweils einen der Mittagstische betreuen, ergänzend zu den Lehrkräften). Das kann natürlich vorkommen, auch bei anderen Kindern, daher sollte man generell etwas darauf achten. Es erstaunt nicht, dass Menschen mit Trisomie 21 Depressionen entwickeln, werden sie doch so oft unterschätzt und übersehen.
Vielleicht wird es allmählich besser, dank Deinem unermüdlichen Beitrag und uns allen mit unseren lieben Familienangehörigen.
Wir freuen uns über jede Antwort, sind jedoch nicht immer online, daher dauert es manchmal etwas länger.
Euch allen ein schönes Wochende
Ottila

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