Immer das gleiche Kind!

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Tamara
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Immer das gleiche Kind!

Beitrag von Tamara » 30.11.2010, 18:44

Wir wohnen hier in einem Dorf und Mael ist eigentlich sehr gut akzeptiert und niemand hat mehr gross das Bedürfnis, sich zu ihm zu äussern. Nur ein Kind! Es geht in den 2. Chindsgi, war ein Jahr lang mit meinem 2. Jüngsten Levin im Kindergarten und geht jetzt mit ihm auch ins Fussball. Der Junge ist sehr verhaltensauffällig und niemand mag ihn besonders.
Jedesmal wenn er Mael irgendwo sichtet - und das kommt doch immer mal wieder vor, wenn Mael und ich früher Levin im Chindsgi und jetzt im Fussball abholen - kommt er zu uns und frägt: "Isch er behinderet?" Ich habe ihm schon x-mal erklärt (in aller Geduld, obwohl ich innerlich dann koche), dass Mael ein Down-Syndrom habe und deshalb etwa länger brauche, um Sachen zu lernen, aber das er alles auch lernen könne. Auf das Wort behindert gehe ich gar nicht ein und das ist vielleicht das Problem...
Heute war ich mit Mael wieder Levin im Fussball abholen, dieser Junge stürzt sich in der vollen Umkleidekabine wieder auf uns und sagt plötzlich: "Er gseht us wie behinderet, gell!" Da hats mir so abgelöscht, dass ich zu ihm gesagt habe: "Und Du, wie gsehsch denn Du us?" Er hat mich verlegen grinsend angeschaut und geschwiegen. Ich hab nochmals gesagt: "Und Du, wie gsehsch dänn Du us, säg?" Levin ist ja nicht auf den Mund gefallen und hat zu diesem Jungen gemeint: "Du gsehsch so us und süscht niemert!" Der Junge war still. Es hatte noch Eltern in dieser Kabine, ich habe mir Mael geschnappt und bin rausgegangen. Einerseits schäme ich mich ob meiner Reaktion, anderseits weiss ich echt nicht mehr was machen. Immer der! Soll ich das Gespräch mit der Mutter suchen? Das muss er ja von zuhause haben! Er kennt ja Mael kaum und Mael benimmt sich ja nicht anders als andere Kinder. Natürlich wissen die Kinder, dass er eine Behinderung hat, aber die meisten müssen nicht die ganze Zeit darüber reden!
Beim Nachhause gehen hat Levin gemeint: "Gäll dä Mael gseht nöd wie behinderet us...die gsehnd ganz anderst us"
Ich hab zu ihm gesagt, Menschen mit einer Behinderung seien Menschen wie alle anderen auch und sie sähen auch nicht anders aus als Menschen ohne eine Behinderung.
Wer hat mir einen Rat? Ich habe angst, dass die Frau sich erst recht auf Mael festfährt, wenn ich das Gespräch mit ihr suche. Aber irgendwas muss ich tun, das kann's doch nicht sein, das ein Kind ständig so auf uns zukommt! Ist auch für meine anderen Kinder eine Zumutung.
Musste dies einfach schnell loswerden.
Liebe Grüsse Barbara



Helena
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Immer das gleiche Kind

Beitrag von Helena » 01.12.2010, 00:02

Hallo Barbara

Gerade habe ich deine Zeilen gelesen. So etwas ähnliches ist mir auch schon einmal passiert.
Es hat mich ziemlich getroffen - als Mutter mehr verletzt als mein Kind - und ich war auch nicht allein!

Meine Reaktion war ähnlich wie deine - das erste Mal habe ich die Aussage ignoriert aber das Mädchen wiederholte sich. Eine kompetentere Reaktion meinerseits hätte ich mir schon gewünscht, doch bin ich froh, dass ich überhaupt reagiert habe. Eltern die solche Situationen aus der Zuschauerperspektive mitverfolgen, wissen zudem oft nicht, wie reagieren.

Über deine geschilderte Situation denke ich folgendes:
Der Junge sucht (d)eine Reaktion.
Möglicherweise erlebt er seine Verhaltensauffälligkeit als Behinderung und würde gerne so gut akzeptiert sein wie Mael.
Möglicherweise kann er die Behinderung trotz Erklärung nicht einordnen, weil sein familiäres Umfeld ganz anders ist, oder.. was auch immer.

Ein Gespräch mit der Mutter würde ich folgendermassen angehen:
-Einen guten Zeitpunkt suchen (z.B. allein, klein wenig mutig, genügend Zeit und etwas innere Ruhe).
-Schildern welche zwei Aussagen in der Garderobe gefallen sind (möglichst emotionslos und sachlich).
-Sagen, dass dich das verunsichert (du musst nicht unbedingt äussern, wie rasend dich das macht)
-Falls keine Reaktion kommt, fragen, wie sie sich das erkläre. (falls sie nichts sagt, fragen, was er zuhause erzähle)
... Ich glaube mit diesem Start könnte man ein gewinnbringendes Gespräch führen.

Zur mentalen Vorbereitung:
-Wenn das Kind verhaltensauffällig ist, hat es die Mutter zu Hause bestimmt nicht einfach mit ihm
-Als Erwartung an das Gespräch reicht es; wenn die Mutter sich nicht angegriffen fühlt, wenn du ihr und ihrem Kind wohlgesinnt bist. So erhöhen sich die Chancen, dass sie dich mag, dich ernst nimmt und dich vielleicht sogar versteht,... ob und wie sie dann mit ihrem Kind und evt. Partner das Gespräch sucht, ist dann ihre Sache.


Vielleicht kannst du damit etwas anfangen. Ansonsten gibt es bestimmt noch weitereVorschläge.

Liebe Grüsse
Helena

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